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Klinische Beschreibung der rheumatoiden Arthritis

Dr. med. Thomas Langenegger
Leitender Arzt Rheumatologie / Osteoporose, Zuger Kantonsspital, Baar

 

 

1. Allgemeines

Das klinische Bild der Rheumatoiden Arthritis (RA) ist sehr variabel und zeigt oft auch im Verlauf starke Schwankungen.

 

In der Regel beginnt die Erkrankung schleichend mit Entzündungen in einzelnen Gelenken. Die betroffenen Gelenke sind geschwollen und schmerzhaft in Ruhe und auf Druck, überwärmt, aber nur selten gerötet. Typisch ist ferner eine Morgensteifigkeit, das heisst es dauert mehr als 30 Minuten, gelegentlich mehrere Stunden, bis sich die Betroffenen normal beweglich fühlen.

 

Allgemeinsymptome wie Müdigkeit, Unwohlsein, möglicherweise leichtes Fieber kommen zu Beginn und im Verlauf vor.

 

Die Erkrankung kann entweder langsam fortschreiten oder schubförmig verlaufen. Selten kann sie nach einem ersten Schub gänzlich ausheilen. Nur bei etwa 10 – 15 Prozent der Erkrankten ist mit Heilung zu rechnen.

 

Gelingt es nicht, die Krankheit mittels Basisbehandlung zu kontrollieren, so kommt es über die Jahre zu einer fortschreitenden Zerstörung des Gelenkknorpels und -knochens (Abb. 1) und des umgebenden Sehnen- und Bandapparates. Dadurch entstehen die typischen Deformierungen der betroffenen Gelenkregionen (Abb. 2 und 3).

 

Neben den Gelenken sind bei der RA auch die Sehnenscheiden vor allem an Füssen und Händen und auch Schleimbeutel durch die Entzündung betroffen. Zusätzlich können – typischerweise, aber erst nach Jahren und bei schweren Verläufen – auch andere Organe wie die Haut, die Augen, die Lunge, das Herz, die Gefässe und das periphere Nervensystem betroffen sein.

 

 

2. Gelenkverteilung

Bei der klassischen Form der RA sind die Gelenke symmetrisch, das heisst auf beiden Körperseiten vergleichbar, betroffen. Zu Beginn der Erkrankung oder bei milden Verläufen können jedoch einzelne Gelenkregionen asymmetrisch betroffen sein.

 

In der Tabelle 1 ist eine Übersicht über die Gelenke, die bei der RA zu Krankheitsbeginn und insgesamt im späteren Verlauf häufig betroffen sind, wiedergegeben.

 

Tabelle 1: Gelenkbeteiligung bei der Rheumatoiden Arthritis
Lokalisation der betroffenen Gelenke
bei Krankheitsbeginn
der betroffenen Gelenke
im Verlauf
Verlauf rechts links beidseits  
Fingergrundgelenke 65 % 58 % 52 % 87 %
Handgelenke 60 % 57 % 48 % 82 %
Fingermittelgelenke 63 % 53 % 45 % 63 %
Zehengrundgelenke 48 % 47 % 43 % 48 %
Schultergelenke 37 % 42 % 30 % 47 %
Kniegelenke 35 % 30 % 24 % 56 %
Sprungelenke 25 % 23 % 18 % 53 %
Ellbogen 20 % 15 % 14 % 21 %

 

 

3. Probleme spezifischer Gelenkregionen

 

Hände und Finger

Die Handgelenke, inklusive Mittelhand, Fingergrund- und Mittelgelenke, sind bei praktisch allen Patienten im Verlauf der Krankheit betroffen. Die Fingerendgelenke bleiben im Gegensatz zur Fingerarthrose jedoch ausgespart. Der Mediannerv wird durch die Handgelenkentzündung schon früh im Krankheitsverlauf geschädigt, was klinisch erkennbar wird an einer Schrumpfung der Muskulatur des Daumenballens und in Gefühlsstörungen (etwa Ameisenlaufen) im Daumen, Zeig- und Mittelfinger. Typische Fehlformen der Hand und Finger, bedingt durch die zunehmende Gelenkzerstörung, sind ein Abrutschen Richtung Handfläche und ein Abweichen gegen den Kleinfinger (Abb. 2) ferner Knopfloch- oder Schwanenhalsdeformitäten der Langfinger (Abb.3).

 

Ellbogengelenk

Das Ellbogengelenk ist deutlich weniger häufig als die Hand- und Fingergelenke ins entzündliche Geschehen miteinbezogen. Symptome sind Bewegungsschmerzen, Einschränkungen der Ellbogenstreckung sowie Probleme beim Innen- und Aussendrehen der Hand. Durch das Entzündungsgewebe kann zusätzlich der Ulnarnerv (Narrenbein) eingeklemmt werden. Die Folge sind Gefühlsstörungen im Klein- und Ringfinger der entsprechenden Hand. Daneben sind an der Hinterseite des Ellbogens am Vorderarm häufig Rheumaknoten tast- und sichtbar.

 

Schultergelenk

Eine Beteiligung der Schultergelenke ist häufig. Sie wird leider oft unterschätzt oder sogar gänzlich verkannt. Ein frühzeitiges und entschiedenes therapeutisches Eingreifen ist aber wichtig. Der behandelnde Facharzt kann mittels Ultraschall die Weichteilstrukturen analysieren und gegebenenfalls die Entzündung durch gezielte Spritzenbehandlung unterbinden. Nur so kann die Zerstörung der stabilisierenden tiefen Schultermuskulatur verhindert werden. Ist die Muskulatur zerstört, gibt es heute keine chirurgisch überzeugende Möglichkeiten einer funktionellen Verbesserung.

 

Hüftgelenk

Die Hüftgelenke sind seltener und häufig erst spät im Verlauf der Erkrankung betroffen. Die Schmerzen treten in der Leiste auf und können an der Vorderseite des Oberschenkels bis in die Knieregion ausstrahlen. Mit der funktionellen Ultraschalluntersuchung können die in der Tiefe liegenden Gelenke schmerzfrei und problemlos untersucht und gegebenenfalls behandelt werden.

 

Kniegelenk

Die Kniegelenke sind mit etwa 50 Prozent betroffen. Häufig findet sich in der Kniekehle eine Schwellung, welche mittels Ultraschalluntersuchung als Ausstülpung der Gelenkhaut identifiziert werden kann (sogenannte Bakerzyste). Falls es zum Zerplatzen der Bakerzyste kommt, entwickeln sich Beschwerden, welche einer Venenthrombose täuschend ähnlich sind. In einer solchen Situation wäre eine Blutverdünnung keine sinnvolle therapeutische Massnahme.

 

Fuss- und Zehengelenke

Eine Beteiligung der Sprung-, Mittelfuss- und Zehengrund-Gelenke ist relativ häufig. Trotz der starken mechanischen Belastung (Stehen und Gehen) gibt es nicht selten Patienten, die kaum über Schmerzen klagen, und die chronische Entzündung wird erst durch Röntgenaufnahmen entdeckt. Schmerzen können einerseits aufgrund der Entzündung, andererseits aufgrund einer Funktionsstörung mit Fehl- und Überbelastung von Weichteilstrukturen entstehen.

 

Halswirbelsäule

Im Gegensatz zur Brust- und Lendenwirbelsäule kommt es relativ häufig zu einer Entzündung im Bereich der Halswirbelsäule (HWS). Einerseits treten Probleme des Stabilitätsverlustes mit Gefahr einer Druckschädigung des Rückenmarks auf, andererseits kann es spontan zur knöchernen Einsteifung kommen. Typische Beschwerden sind bewegungsabhängige Schmerzen, welche vom Nacken in den Hinterkopf oder auch entlang der Wirbelsäule nach unten ausstrahlen. Die Schmerzen können durch Hängenlassen des Kopfes gelegentlich provoziert werden. Aufgrund der möglichen Komplikationen soll die HWS durch den verantwortlichen Rheumatologen periodisch untersucht und radiologisch überprüft werden.

 

 

4. Probleme anderer Organsysteme

 

Haut

Bei etwa 50 Prozent der Erkrankten treten im Verlauf Rheumaknoten (Entzündungsgewebe in der Unterhaut oder um Sehnen) auf. Diese sind vor allem an der Vorderarmrückseite (Abb. 4), im Bereich der Achillessehnen, an der Unterschenkelvorderseite oder an der Fingerstreckseite anzutreffen. Methotrexat, eines der wirksamsten Basismedikamente, kann selten eine Zunahme dieser Knoten bewirken.

 

Augen

Die Bindehaut kann als Zeichen einer verminderten Tränensekretion gerötet und gereizt sein. Als Therapie hilft künstliche Tränenflüssigkeit. Viel seltener und gefährlicher ist eine Entzündung der Lederhaut oder Hornhaut. Eine Beteiligung dieser Strukturen macht eine augenärztliche Konsultation dringend notwendig.

 

Lunge

Selten ist eine Beteiligung der Lunge. Es können sich zwar Rheumaknoten bilden, diese verursachen jedoch sehr selten Beschwerden. Eine Vernarbung der Lungen durch entzündliche Vorgänge (sogenannte Lungenfibrose) sowie eine Brustfellentzündung können vorkommen.

 

Herz

Nicht selten ist im Verlauf der Krankheit eine Herzbeutelentzündung anzutreffen. Diese macht jedoch kaum Beschwerden und ist in der Regel harmlos. Seltener kommen Rheumaknoten im Herzmuskel vor.

 

Magen-Darm-Trakt

Probleme des Magen-Dramtraktes sind viel häufiger durch die für die Behandlung notwendigen Medikamente verursacht als durch die RA selbst. Als Medikamenten-Nebenwirkungen können Übelkeit, Krämpfe und Magengeschwüre und dadurch ein chronischer Blutverlust auftreten.

 

Nieren

Auch die Nieren sind nur sehr selten von der Entzündungsreaktion selber betroffen. Häufiger sind hier wiederum Medikamentennebenwirkungen.

 

Nervensystem

Eine direkte Beteiligung des Nervensystems am entzündlichen Geschehen ist selten. Häufiger sind jedoch Druckschädigungen an Nerven der Hände und Füsse durch das umgebende entzündete Gelenkgewebe (siehe oben). Daneben kann durch die oben beschriebene Instabilität der Halswirbelsäule das Halsrückenmark gefährdet sein.

 

Gefässe

Eine Entzündung der Blutgefässe kann selten bei langjähriger und schwer verlaufender RA auftreten. Am häufigsten sind dabei die Blutgefässe der Haut und der Nerven betroffen. Dabei zeigen sich an der Haut – vor allem der Unterarme, Hände, Unterschenkel und Füsse – kleine punktförmige Blutungen und bei Beteiligung der Nervenblutgefässe Gefühlsstörungen in diesen Bereichen. Die Blutgefässe innerer Organe (Lunge, Herz, Gehirn, Nieren) sind nur selten befallen.

 

Blutveränderungen

Typische Veränderungen im Blut sind eine Verminderung der roten Blutkörperchen (Anämie), eine Vermehrung der Blutplättchen (Thrombozyten) sowie der weissen Blutkörperchen (Leukozytose). Diese Veränderungen sind Ausdruck der Entzündung im gesamten Organismus. Typische Laborwertveränderung sind ferner eine Erhöhung der Blutsenkungsreaktion (BSR) und des sogenannten C-reaktiven Proteins (CRP). Sowohl BSR wie auch CRP sind gute Messinstrumente für das Ausmass der Entzündungsreaktion im Rahmen der RA.

 

Abbildung 1
Klinisches Bild RA Hand

 

Abbildung 2

 

Abbildung 3

 

Abbildung 4

 

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