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Therapie der rheumatoiden Arthritis

Dr. med. Adrian Forster
Chefarzt Rheumatologie & Rehabilitation, Schulthess Klinik, Zürich

 

Die Prognose einer rheumatoiden Arthritis ist umso besser, je früher und intensiver mit der Basistherapie begonnen wird. Das möglichst rasche Stellen der Diagnose ist entscheidend. Hierfür sind gewisse Autoantikörper im Blut und neuere bildgebende Methoden (Ultraschalluntersuchung, Magnetresonanztomographie) hilfreich. Die Entzündung und Schmerzen sind mit den heutigen Medikamenten meistens gut kontrollierbar. Auch die Gelenkzerstörung kann bei der Mehrzahl der Patienten stark gebremst oder sogar ganz gestoppt werden. Ohne rechtzeitige Behandlung erhöht sich das Risiko dauerhafter Funktionseinschränkungen und einer Verkürzung der Lebenserwartung.

 

Frühe Diagnose

Bei der rheumatoiden Arthritis beginnt die entzündungsbedingte Gelenkzerstörung schon sehr früh im Krankheitsverlauf. Beispielsweise sind mittels Magnetresonanztomographie der Hände nach drei Monaten bereits bei mehr als einem Drittel der Patienten Erosionen nachweisbar. Die Gelenkschäden sind irreversibel: Wenn sie einmal aufgetreten sind, können sie auch mit einer optimalen Basistherapie nicht mehr rückgängig gemacht werden. Zudem haben viele Studien gezeigt, dass das Ansprechen auf Basismedikamente umso besser ist, je früher diese eingesetzt werden. Insbesondere kann das mit den heutigen Therapiemöglichkeiten durchaus realistische Ziel einer vollständigen und anhaltenden Unterdrückung der Entzündungsaktivität leichter früh als spät im Verlauf erzielt werden. Dem möglichst frühzeitigen Stellen der Diagnose kommt deswegen grosse Bedeutung zu.

 

Die Diagnose wird aufgrund des Zusammentreffens der typischen Symptome, des Gelenkbefallmusters und der Zusatzuntersuchungen gestellt, was zu Beginn der Erkrankung viel Erfahrung erfordert. Insbesondere lässt sich eine rheumatoide Arthritis (RA) nie aufgrund einzelner Labor- oder Röntgenbefunde diagnostizieren. Das Routinelabor mit Blutsenkungsgeschwindigkeit und C-reaktivem Protein (Normalwerte schliessen eine rheumatoide Arthritis aber nicht aus) ist zu ergänzen durch Rheumafaktor, Anti-CCP- (zyklisches zitrulliniertes Peptid) und antinukleäre Antikörper. Der Rheumafaktor kommt aber nicht nur bei der rheumatoiden Arthritis vor, beispielsweise findet man ihn auch oft bei Kollagenosen (wie etwa Lupus erythematodes). Zu Beginn ist der Rheumafaktor nur bei etwa einem Drittel der Patienten positiv, im Verlauf lässt er sich schliesslich aber bei drei Vierteln nachweisen. Die Anti-CCP-Antikörper kommen im Gegensatz zum Rheumafaktor aber fast nur bei der RA vor. Sie lassen sich zu Beginn der Erkrankung aber ebenfalls nur bei etwa einem Drittel der Patienten nachweisen, im Verlauf sind sie bei drei Vierteln der Patienten positiv.

 

Röntgenaufnahmen beweisen die Knorpel- und Knochenzerstörung der Gelenke. Die wichtigsten zwei Zeichen sind die Verschmälerung des Knorpelzwischenraums (Abstand zwischen den Knochen) und die Bildung von Erosionen und Zysten (Knochenlöcher am Rand der Gelenkfläche). Mit Röntgenbildern der Hände und Füsse lässt sich der Krankheitsverlauf gut überwachen. Bei einer erfolgreichen medikamentösen Therapie bleiben die Gelenkbefunde stationär. Mit herkömmlichen Röntgenaufnahmen können Erosionen aber leider erst relativ spät im Verlauf identifiziert werden. Gelegentlich ist deswegen eine Ultraschalluntersuchung der Gelenke hilfreich, mit welcher nach einer Krankheitsdauer von nur drei Monaten bereits bei mehr als einem Drittel der Patienten Erosionen nachgewiesen werden können. Ähnliches gilt auch für die Magnetresonanztomographie (MRI).

 

Therapie: Interdisziplinäre Behandlung

Trotz der grossen Fortschritte der medikamentösen Therapie sind für eine gute Behandlung die Physio- und Ergotherapie und manchmal auch die Rheumachirurgie weiterhin unverzichtbar. Es ist auf eine gute Abstimmung der Behandlungsmassnahmen zu achten. Im Idealfall ergibt sich eine vom Rheumatologen geleitete Teamarbeit, an welcher sich der Hausarzt, der Patient und seine Angehörigen beteiligen. Als aktiver Partner soll der Patient mit all seinen individuellen Bedürfnissen im Zentrum stehen. Die Devise lautet: Kommunikation und Teamwork!

 

Therapie: Antirheumatika

Die sogenannten nicht-steroidalen Antirheumatika werden aufgrund ihrer ausgezeichneten schmerzlindernden Wirkung sehr häufig angewandt, oft über viele Jahre. Sie wirken aber nur auf die Symptome und können den Krankheitsverlauf nicht beeinflussen. Hauptproblem sind ihre häufigen Nebenwirkungen, welche sehr gefährlich sein können. Beispielsweise sind bei Patienten, welche diese Medikamente dauernd einnehmen, mittels Magenspiegelung in etwa 20 Prozent Geschwüre des Magens oder Zwölffingerdarms nachzuweisen. Wichtige Risikofaktoren für die Komplikationen solcher Geschwüre sind ein Zustand nach Darmblutung, Alter über 60 Jahre, eine gleichzeitige Blutverdünnung (Antikoagulation), eine gleichzeitige Therapie mit Kortisonmedikamenten und ein schlechter Allgemeinzustand. In solchen Fällen sollte zur Prophylaxe ein Säurehemmer (Protonenpumpenblocker) dazugegeben werden; in gewissen Fällen kann auch der Einsatz von spezifischen COX-2-Hemmern berechtigt sein.

 

Therapie: Kortisonmedikamente

Leider verleitet der starke und rasch eintretende entzündungshemmende Effekt der Kortisonmedikamente immer wieder dazu, diese Substanzen längerfristig in höherer Dosierung anzuwenden, was oft schwere Nebenwirkungen nach sich ziehen, wie etwa eine Gewichtszunahme, eine Blutdruckerhöhung, Störungen des Zuckerstoffwechsels, eine Muskelschwäche, eine Hautverdünnung und eine Osteoporose mit Knochenbrüchen. Deswegen gilt eine alleinige Therapie mit Kortisonmedikamenten heute als fehl am Platz. Kortisonmedikamente sind nur sinnvoll für die kurzfristige überbrückende Anwendung bis zum Wirkungseintritt der Basismedikamente und für den langfristigen niedrig dosierten Einsatz (wie Prednison maximal 7,5 mg pro Tag), falls mit Basismedikamenten keine vollständige Unterdrückung der Krankheitsaktivität erreicht werden kann.

 

Therapie: Basismedikamente

Für eine adäquate Kontrolle der Krankheitsaktivität sind Basismedikamente unabdingbar. In geübten Händen haben sie viel weniger Nebenwirkungen als Kortisonmedikamente und nicht-steroidale Antirheumatika. Die Wirkung herkömmlicher Basismedikamente wie Methotrexat setzt meistens erst nach zwei bis drei Monaten ein. Sie lindern aber nicht nur die Entzündungssymptome, sondern können auch den Zerstörungsprozess an den Gelenken bremsen und ihn im Idealfall sogar ganz zum Stillstand bringen. Das Abstimmen der Basistherapie auf die individuellen Bedürfnisse der Patienten ist schwierig und erfordert viel Erfahrung. Die Behandlung sollte deswegen immer in Zusammenarbeit mit einem Facharzt für Rheumatologie erfolgen. Es gibt synthetische und biotechnologisch hergestellte Substanzen. Letztere werden entweder in die Unterhaut gespritzt oder als Infusion gegeben; sie müssen gekühlt aufbewahrt werden. Die Palette der Basismedikamente wird laufend erweitert und umfasst aktuell folgende Substanzen:

  • Methotrexat (Metoject®)
  • Leflunomid (Arava®)
  • Sulfasalazin (Salazopyrin® EN)
  • Antimalarika (wie Plaquenil®)
  • Etanercept (Enbrel®)
  • Adalimumab (Humira®)
  • Infliximab (Remicade®)
  • Simponi (Golimumab®)
  • Certolizumab (Cimzia®)
  • Rituximab (Mabthera®)
  • Abatacept (Orencia®)
  • Tocilizumab (Actemra®)
  • Tofacitinib (Xeljanz®)
  • Baricitinib (Olumiant®)

 

Dieses grosse Spektrum lässt eine weitere Optimierung der Behandlung erhoffen. Dem Fernziel der Rheumatologie, einmal bei allen Arthritispatienten eine vollständige und anhaltende Unterdrückung der Krankheitsaktivität erreichen zu können, rücken wir damit immer näher.

 

Therapie: Kombinationstherapien

Bei Patienten mit starker Krankheitsaktivität hat sich die Strategie des gleichzeitigen Einsatzes mehrerer Basismedikamente durchgesetzt. Am häufigsten wird mit Methotrexat kombiniert, etwa Sulfasalazin, Antimalarika, Leflunomid und Biologika (Zweierkombinationen). Es sind aber auch Dreier- und sogar Viererkombinationen möglich. Durch den unterschiedlichen Wirkungsmechanismus der Einzelsubstanzen kann erwartet werden, dass sich deren Wirkungen addieren und manchmal sogar gegenseitig verstärken. Dies erlaubt, zur Erzielung einer bestimmten Wirkung die Dosierung der Einzelsubstanzen geringer zu halten, wodurch diese mit weniger Nebenwirkungen behaftet sind. Kombinationstherapien erfordern aber viel Erfahrung vom Arzt, insbesondere auch hinsichtlich Überwachungsmassnahmen. Durch geschicktes Zusammenstellen der Einzelkomponenten gelingt es oft, eine ausgezeichnete Unterdrückung der Krankheitsaktivität zu erreichen ohne dass wesentliche Nebenwirkungen hinzunehmen sind.

 

Therapie: Spritzen in die Gelenke

Die Spritzen enthalten Kortisonpräparate in kristalliner Form. Sie helfen, wenn einzelne Gelenke besonders stark entzündet sind. Grundsätzlich kann der Arzt in jedes Gelenk spritzen. Die Verträglichkeit ist gut, und die Wirkung hält oft Wochen oder gar Monate an. Falls die Entzündung eines einzelnen Gelenks auf wiederholte Injektionen ungenügend anspricht, können noch wirksamere, radioaktive Substanzen gespritzt werden (Synoviorthese).

 

Therapie: Physiotherapie

Physikalische Massnahmen wie Kälte, Wärme und Ultraschall helfen bei Schmerzen und Muskelverspannungen. Physiotherapie bewahrt und verbessert die Beweglichkeit und Stabilisierung der Gelenke. Sie fördert ausserdem Kraft, Ausdauer, Koordination, Haltung und Gehfähigkeit. Wichtig: Der Patient lernt und übt ein Gymnastik-Programm, welches seine individuellen Bedürfnisse erfüllt. Eine medizinische Trainings-Therapie verbessert Kraft und Ausdauer besonders gut. Da bei der rheumatoiden Arthritis die Entzündungsaktivität oft stark schwankt, erfordern alle diese Massnahmen ständig eine Anpassung an die aktuelle Krankheitssituation.

 

Therapie: Ergotherapie

Handgymnastik, Instruktion von Gelenkschutzmassnahmen und Vermittlung von Hilfsmitteln verbessern die Handfunktion und erhalten die Selbstständigkeit im Alltag. Dabei gilt: die entzündeten Gelenke nicht zu viel – und nicht zu wenig belasten! Gelegentlich helfen auch Handgelenkmanschetten und Schienen.

 

Therapie: Hilfsmittel

Bei Einschränkungen der Handfunktion erleichtern verschiedene Hilfsmittel den Alltag. Im Haushalt helfen kraftsparende Geräte zum Rüsten von Gemüse, Öffnen von Flaschen usw. In der Wohnung helfen oft einfache Erhöhungen von Stühlen, vom Bett und auch im Bad.

 

Therapie: Schuhanpassung

Speziell angepasste Schuheinlagen vermindern Entzündungen und Schmerzen der Füsse und erleichtern das Gehen. Gut sind Schuhe, die vorne möglichst weit sind, und Schuheinlagen, welche die Zehen-Gelenke entlasten.

 

Therapie: Rheumachirurgie

Bessert die Entzündung einzelner Gelenke trotz der medikamentösen Therapie nicht, kann die Gelenkinnenhaut chirurgisch entfernt werden (Synovektomie). Bei starken Schmerzen und Funktionseinschränkungen infolge zerstörter Gelenke werden diese durch Kunstgelenke (Prothesen) ersetzt. Weitere chirurgische Behandlungsmöglichkeiten sind Stellungs-Korrekturen und Versteifungen.

 

Therapie: Körperliche Aktivität und Sport

Körperliche Aktivitäten und Sport müssen dem aktuellen Entzündungszustand und den Funktionseinschränkungen gut angepasst werden! Nur dann wirken sie positiv auf die Erkrankung. Kontrollierter Sport erhält die Gelenkbeweglichkeit, fördert Kraft und Ausdauer und beugt somit Behinderungen vor. Gelenkschonende Sportarten sind Schwimmen, Aquatraining und Radfahren.

 

Therapie: Ernährung

Am besten ist eine ausgewogene Ernährung mit viel Gemüse und Früchten wie etwa die mediterrane Kost. Zur Eiweisszufuhr eignen sich fettarmes Fleisch und besonders Fisch. Wegen ihres Kalziumgehalts sind Milchprodukte günstig. Bei der rheumatoiden Arthritis ist der Bedarf für Kalzium und Vitamin D erhöht, besonders unter Behandlung mit Kortison-Medikamenten. Vitamin E und Fischöle (Omega-3-Fettsäuren) scheinen die Gelenkentzündungen positiv zu beeinflussen. Auch Fastenkuren hemmen die Entzündung; sie sind aber nicht zu empfehlen, da sie nur vorübergehend wirken und den Organismus zusätzlich schwächen.

 

Therapie: Therapie der Begleiterkrankungen

Osteoporose
Durch die rheumatoide Arthritis selber und vor allem durch hochdosierte Kortisonmedikamente wird die Entkalkung des Skeletts begünstigt. Dadurch kann ein Knochenschwund (Osteoporose) auftreten mit erhöhtem Risiko für Knochenbrüche. Eine Messung der Knochendichte erlaubt die Früherkennung, und Medikamente können dem Knochenschwund entgegenwirken.

 

Arteriosklerose
Die rheumatoide Arthritis beschleunigt die Entstehung der Arteriosklerose. Andere Risikofaktoren dafür sind Rauchen, hoher Blutdruck und Störungen des Cholesterin- und Zuckerstoffwechsels; sie müssen bestmöglich kontrolliert oder beseitigt werden.

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